Niedersächsischer Zukunftsdialog stellt regionale Wertschöpfung und politische Verlässlichkeit in den Mittelpunkt
L P D – Beim „Niedersächsischen Zukunftsdialog Landwirtschaft – Handel – Politik“ auf Gut Erichshof in Gehrden diskutierten auf Einladung von EDEKA Minden-Hannover Vertreterinnen und Vertreter von Landwirtschaft, Handel und Politik zentrale Zukunftsfragen der Branche. Unter der Schirmherrschaft von Ministerpräsident Olaf Lies standen insbesondere die Wiederherstellung einer Vertrauenskultur, der Abbau bürokratischer Hürden sowie die Sicherung regionaler Wertschöpfungsketten im Fokus.
„Niedersachsen ist Agrarland Nummer eins“, stellte Ministerpräsident Olaf Lies zu Beginn klar. „Damit das so bleibt, müssen Landwirtschaft, Handel und Politik an einem Strang ziehen. Regionale Produkte sind gefragt – sie sind gut für das Klima und stärken die regionale Wertschöpfung.“ Er verwies auf frühere Zeiten intensiver Gespräche zwischen Landwirtschaft und Handel und erinnerte daran, dass Verlässlichkeit notwendig sei, da Investitionen hohe Risiken bergen. Der Zukunftsdialog sei „genau der richtige Weg“, um gemeinsam Lösungen zu suchen und umzusetzen. Gleichzeitig mahnte er mehr Verantwortung vor Ort an: „Wir leben in einer Gesellschaft, in der die Misstrauenskultur überwiegt. Wir müssen wieder lernen, mit Spielräumen umzugehen, denn viele Themen stehen in totalem Widerspruch zueinander.“
Auch der Handel bekräftigte seine Bereitschaft zur Zusammenarbeit. „Wir stehen fest an der Seite der heimischen Landwirtschaft“, sagte EDEKA-Vorstandssprecher Mark Rosenkranz. Mit rund 5.000 regionalen Direktlieferanten sei EDEKA Minden-Hannover „der wichtigste Marktplatz für regional produzierte Lebensmittel“. Regionalität sei „das neue Bio“. Zugleich betonte er die Bedeutung der Wettbewerbsfähigkeit: „Diese Herausforderungen lassen sich nur gemeinsam bewältigen. Thema Nummer eins ist der Bürokratieabbau.“
Das Landvolk machte deutlich, dass der politische Handlungsdruck groß ist. „Unsere Landwirte brauchen Rückenwind, nicht zusätzliche Last. Politische Entscheidungen und Rahmenbedingungen müssen jetzt schnell praxistauglich gestaltet werden, sonst verstärkt sich der Strukturwandel und junge Leute steigen nicht in die Landwirtschaft ein“, sagte Frank Kohlenberg, Vizepräsident des Landvolks Niedersachsen. Wer regionale Wertschöpfung, Tierwohl und Nachhaltigkeit fördern wolle, müsse Genehmigungsverfahren beschleunigen und bürokratische Hürden abbauen – sonst werde es weiterhin große wirtschaftliche Einbußen geben. Problematisch sei, dass Regelungen in den Bundesländern unterschiedlich ausgelegt würden, etwa bei der Düngeverordnung oder im Baurecht. „Strukturwandel wird so beschleunigt statt gebremst.“
Manfred Tannen, Vizepräsident der Landwirtschaftskammer Niedersachsen, hob den Mehrwert des Dialogs hervor: „Dieser Dialog ist mehr als Symbolik. Landwirtschaft und Handel sollten gemeinsam weitere praktikable Lösungen zur Zusammenarbeit und für eine ausgewogene Wertschöpfung entwickeln.“ Die Kammer verstehe sich als Brücke zwischen Betrieben, Politik und Gesellschaft. Lösungen wie die Borchert-Vorschläge für den Tierwohlumbau hätten bereits auf dem Tisch gelegen, seien aber wieder verworfen worden. „Wir brauchen mehr Innovation“, forderte Tannen.
In den Panels zu „Klimaschutzstrategie“, „Tierwohl transparent gestalten“ und „Markt- und Absatzförderung von regional produzierten Lebensmitteln“ wurden die Kernthemen vertieft. Im Panel Tierwohl kritisierte Landvolk-Vizepräsident Jörn Ehlers die fehlende Planungssicherheit, besonders bei der Finanzierung von Tierwohlställen: „Das Ping-Pong-Spiel der Verantwortlichen macht unsere Landwirte müde.“ Der Wegfall staatlicher Programme ohne langfristige Nachfolgelösungen führe zu Investitionsstau und gefährde regionale Tierhaltungsstrukturen. „Wir brauchen ein Programm, das länger Bestand hat und Geschäftsgrundlage sein kann – für Deutschland insgesamt. Einen Flickenteppich in den Bundesländern haben wir schon“, zeigte Ehlers auf.
Im Dialogforum „Jung denkt Zukunft“ diskutierte die junge Generation mit dem Ministerpräsidenten. Max Klockemann, Vorsitzender der Junglandwirte Niedersachsen, und Lars Ruschmeyer, Bundesvorsitzender der Landjugend, forderten mehr Vertrauen in die digitale und dokumentierende Praxis der Betriebe sowie die behördeninterne Freigabe von Daten ein. „Wir liefern längst Transparenz – aber doppelte und dreifache Dokumentation nervt und kostet uns Zeit, die wir für Tierhaltung, Ackerbau und Innovation bräuchten“, sagte Klockemann. Ruschmeyer betonte: „Wenn wir investieren sollen, brauchen wir stabile Perspektiven. Regionalität bietet Chancen – aber nur, wenn politische Zusagen Bestand haben, unabhängig von Regierungswechseln.“ Lies räumte ein: „98 Prozent der Landwirte arbeiten ordentlich und werden wegen einzelner mitverhaftet.“ Auch künftig werde es Stichprobenkontrollen geben. Doch statt Misstrauensregelungen müsse es zukünftig andere Lösungen geben.
Ein abschließendes Signal setzten die Landvolkvertreter. „Trotz 24/7-Belastung in der Tierhaltung und eigenen Zukunftssorgen will die junge Generation diesen Supertanker Landwirtschaft weiterhin steuern“, sagte Landvolk-Vizepräsident Hubertus Berges. Dies gebe Hoffnung, setze aber politische Verlässlichkeit voraus. Mit einem Appell, den begonnenen Austausch fortzuführen, um Bürokratieabbau, regionale Wertschöpfung und eine tragfähige Agrarpolitik für kommende Generationen gemeinsam voranzutreiben, endete der Zukunftsdialog. „Dieses Format kann auch für andere Händler ein Startsignal sein für vernünftige Gespräche mit der Politik und uns Landwirten“, ziehen die drei Vizepräsidenten des Landvolks abschließend ihr Fazit. (LPD 81/2025)